Muss Lust jetzt auch noch politisch sein?
- verenawessel
- Apr 14
- 3 min read
Updated: Apr 21
Ich schreibe diesen Blogpost, weil ich in der aktuellen Marie Claire im Dossier "Die Revolution der Lust" von Katharina Charpian interviewt wurde. Und es Zeit ist, dass das Thema Lust und Sexualität mehr Raum und Ausdruck erlangt.

Lust ist politisch. Lust ist ein Menschenrecht.
Lust ist mehr als ein körperliches Empfinden. Sie ist Ausdruck – von Lebendigkeit, von Selbstverbindung, von dem tiefen inneren Wissen:
Ich darf fühlen. Ich darf begehren. Ich darf sein.
Und genau deshalb ist Lust politisch.
Denn sie ist nicht losgelöst von unserer Geschichte, unserer Prägung, unserem Umfeld. Sie ist eingebettet in soziale Strukturen, in Erziehung, in Rollenbilder, in Sprache. In das, was wir gelernt haben zu fühlen – oder nicht zu fühlen.
Lust ist nicht neutral.
Sie ist formbar. Verletzlich. Geprägt.
Und sie ist – für viele Menschen – mit Widersprüchen verbunden:
Darf ich das wollen? Bin ich zu viel? Oder zu wenig? Was passiert, wenn ich mich zeige?
Diese Fragen stellen sich nicht im luftleeren Raum. Sie entstehen in einer Welt, in der weibliche, queere oder nicht-normative Lust oft nicht vorgesehen ist. Oder kontrolliert. Abgewertet. Idealisiert. Kommerzialisiert.
Deshalb ist Lust politisch.
Weil sie unweigerlich mit Freiheit, Selbstbestimmung und Würde zu tun hat.
Weil sie nicht nur hinter verschlossenen Türen verhandelt wird, sondern in Medienbildern, Partnerschaften, Aufklärungsgesprächen, Körpersprachen, Diagnosen und Schubladen.
Lust ist ein Akt der Selbstermächtigung – wenn wir sie nicht nur dulden, sondern bewohnen. Wenn wir beginnen, sie ernst zu nehmen.
Und gleichzeitig:
Lust ist ein Menschenrecht.
Die WHO definiert sexuelle Gesundheit nicht als „funktionierend“, sondern als einen Zustand von Wohlbefinden – körperlich, emotional, mental und sozial.
Sexuelle Gesundheit schließt Lust mit ein. Und damit das Recht auf ein eigenes Tempo. Auf Nein. Auf Ja. Auf Neugier. Auf Unwissen. Auf Veränderung.
Lust ist kein Bonus. Sie gehört zum Menschsein.
Und das bedeutet:
Wir dürfen uns selbst begegnen – auch in unserer Lust.
Wir dürfen unser Begehren erforschen, uns ausdrücken, spüren, wo wir Grenzen ziehen, und wo wir uns selbst näher kommen wollen.
Aber was heißt das konkret? Was braucht es, damit Lust wieder lebendig werden darf? Damit sie nicht zum To-do wird oder zur Pflichtübung?
Vielleicht beginnt es mit diesen Fragen:
Wie spreche ich über meine Lust – mit mir selbst, mit anderen?
Wurde ich je gefragt, was ich wirklich will?
Wie viel Raum hat meine Lust in meinem Alltag – oder in meiner Beziehung?
Fühle ich mich verbunden mit meinem Körper? Oder eher „funktionierend“?
Wo habe ich gelernt, dass Lust kontrolliert, unterdrückt oder versteckt werden muss?
Wie fühlt es sich an, wenn ich mich wirklich ausdrücken darf – jenseits von Erwartungen?
In meiner Arbeit als Sexual- und Paartherapeutin begegnen mir täglich Menschen, die Sehnsucht spüren. Nach Berührung. Nach Freiheit. Nach sich selbst.
Oft ist die Lust verschüttet. Oder sie war nie wirklich eingeladen. Aber sie ist da – leise vielleicht, aber spürbar. Und sie darf wieder in Bewegung kommen.
Lust kann ein Weg sein – zu mehr Echtheit, mehr Selbstwirksamkeit, mehr Beziehung.
Nicht als Ziel, das man erreichen muss. Sondern als Raum, den man betreten darf.
Ein Raum für Neugier, Ausdruck und Begegnung.
Wenn dich das Thema interessiert, hör gern mal in unseren Podcast 'Resonanzraum – der Podcast für Beziehungsgestaltung' rein. Dort spreche ich gemeinsam mit meiner Kollegin Naila Rediske über Lust, Sex und wie wir echte Verbindung gestalten können – mit uns selbst und in Beziehung.
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