top of page
Search

Resonanzraum Natur

• Ecosexuality als Resonanzraum •


In welchem Raum, in welcher Umgebung werde ich wie berührt? Durch wen? Ja, vor allem durch wen, wenn ein Jahr wie 2020 Körperkontakt einschränkt und ich als Single durchs Leben stolziere.


Körperkontakthunger, oder auch skinhunger, war groß. So ging es wahrscheinlich vielen.


Berührt sein.


Berührt werden.


Berühren.




In Verbindung treten. Danach sehnte ich mich. Sehr. Meine letzte Liebelei endete aber genau mit dem ersten Lock-down. Und dann stand ich da. Alleine und unbefriedigt. Und körperhunrig. Ich begann ein Selbstexperiment. Nahm es selbst in die Hand. Nahm mich selbst in die Hand. Kann ich mir das selbst geben? Wie kann ich mich selbst berühren und nähren? Und berühre ich mich überhaupt auch selbst, wie ich gerne berührt werden möchte? Gebe ich mir selbst das, was ich im außen suche?


Die Attitüde do whatever the fuck you want and need right now wurde noch mehr entfacht! Meinen eigenen Raum ein zu nehmen und selbst zu füllen und fühlen. Mit buntem allerlei an Genuss. Aus einer Sehnsucht heraus bin ich mir selbst näher gekommen. In keinem Jahr habe ich mich bisher so viel selbst berührt und selbst genossen wie in diesem.


be your own lover and muse wurde mein gelebtes credo. Es ließ mich tiefer tauchen in meine eigene Sexualität, meine Wünsche und Bedürfnisse. Aus einer kurzen Ohnmacht heraus rief die Freiheit und die Lust.


Und mich aber auch berühren lassen von der Welt da draußen, der Natur, die wie so ein Zufluchtsort in der restriktiven Zeit wurde. Der heimische Wald wurde eine Art zu Hause. Was ist da, wenn der Radius eingeschränkt ist. Das Sichtfeld erstmal eingeschränkt scheint. Was tut sich dann neues auf?


Einen Raum betreten, einen Raum fühlen, das bedeutet für mich in Resonanz zu treten. Eine Art des-in-der-Welt-Seins, bei der ich von meinem Umfeld berührt werde. Oft sind es natürlich die Menschen um uns herum, die uns berühren und mit denen wir in Verbindung und Resonanz treten. Aber mein Selbstversuch baute dieses Jahr auf die Verbindung mit der Natur. Die Natur berührt mich als eine Art Raum und safespace. Als Raum, wo alles möglich ist, ein Raum, der keine Fragen stellt, nicht berurteilt oder verurteilt. Wikipedia sagt zu Raum auch eine “nicht fest eingegrenzte physikalische Ausdehnung”. Ein Ort, an dem die eigene Ausdehnung möglich ist. Ein Ort ohne Grenzen. Der annimmt. Mich annimmt. Sich selbst annimmt, mit allem was da ist. Nichts will von mir. Nichts will von sich. Geschehen und sein lässt. Sich dem Lauf der Dinge und der Jahreszeiten übergebend. Hingebend.


Ich tauche ein in die Natur. Verschmelze mit ihr. Denn ich möchte nicht nur Gast sein. Nicht laufend mit Neon Funktionskleidung am Körper und Musik auf den Ohren die Natur nur als Kulisse erfahren. Ich möchte berührt sein und mich berühren lassen von der Natur. Den Gang verlangsamen. In Stille schlendern. Ins staunen kommen. Pilze und Kräuter sammeln oder einfach nur betrachten, weil mein gefährliches Halbwissen sich noch in Ausbildung befindet. Jedes Wetter da draußen wertschätzen oder annehmen. Hej, aber mal ganz ehrlich, Regen macht im Wald mehr Freude als in der Statt und Grau hat auch im Wald anderen Nuancen und Facetten, quasi infinite shades of grey. Fast. Die Natur lädt mich dazu ein, wenn es regnet, den Tropfen dabei zu schauen, wie sie sich an Ästen bilden und hinunter tropfen. Oder ich mit meiner Zunge mich den Regentropfen entgegen räkel, sie aufnehme. Den Wind raschelnd durch die Baumkronen hören und sehen. Spüren, wie der Wind mit meinen Haaren spielt. Mich umspielt. Die Sonne durch die Bäume blinzeln sehen und den Vollmond den Wald ausleuchtend bestaunen. In der Dunkelheit durch den Wald streifen, die Angst vor Dunkelheit ablegen. Im Wald übernachten in der Hängematte, den Sternenhimmel betrachten und mich derweil unglaublich geborgen und sicher zu fühlen. Irgendwie mutig und unbezwingbar. Ok, vielleicht hilft hier mein Hund Vilma als lebendige Mutbegleitung. Zurück zum Sternenhimmel. Wenn ich den Sternenhimmel länger mit Zeit und Muße bestaune, dann macht sich ein Gefühl in mir breit, welches mich klein und demütig fühlen lässt. Klein im Sinne von die Erde und das Universum sind so unendlich groß und magisch. Und Demut als ein wohlig warmes Gefühl. Ich verneige mich vor der Natur. Und auch dieses Gefühl lässt mich mit der Natur und meiner Umgebung in Resonanz treten. Ich habe das Gefühl, Teil des Großen Ganzen zu sein, wenn auch nur ein kleiner. Aber da ist ein Zugehörigkeitsgefühl. Vor allem habe ich ein Gefühl.


Wie können wir noch in Resonanz und Verbindung mit der Natur treten?


Ich bin vor kurzem über den Begriff ‘ecosexual’ gestolpert, dessen Definition sehr breit gefasst werden kann von mal eben nackidei ins Wasser hüpfen, nacktwandern, nachhaltige Kondome und Sexspielzeug verwenden bis hin zu Menschen, die erotisch mit Pflanzen reden, unter einem Wasserfall masturbieren (wobei hej das ist ja eigentlich fast wie unter der Dusche?) oder auch in Zeremonien die Natur heiraten. Pachamama, Mutter Erde, nicht mehr nur Mutter sondern Lover sein lassen. Vielleicht lässt uns diese Einstellung und Hinwendung die Natur noch mehr schätzen und schützen? Unsere Mütter verzeihen uns meist allen Mist, den wir anstellen. Wenn wir unseren Partner oder unsere Partnerin jedoch immer wieder schlecht behandeln, dann kommt es früher oder später zur Trennung.


Abgesehen von der Bandbreite davon, wie man diese sogenannte ecosexuality nun ausleben mag, ich mag den Begriff und die Idee davon, dass wir sinnlich mit der Natur werden. Denn ich erachte Natur als unglaublich sinnlich! Die verschiedensten Texturen zu berühren und zu spüren. Habt ihr mal blind Bäume angefasst und versucht anhand Eures Tastsinns, die Rinde und Baumart zu bestimmen? Und es muss ja noch nicht mal gleich in die Pflanzenkunde abgetaucht werden. Und ihr müsst auch nicht gleich Bäume umarmen, wenn Euch das zuwider ist — wenngleich ich es empfehlen kann. Einfach mal die Finger am Baum entlängs streifen lassen, sieht auch niemand, versprochen. Einfach mal ins fühlen kommen. Was macht es mit mir in der Natur, wenn ich einen Sinn ausschalte durch verbundene Augen? Wie entfalten meine restlichen Sinne sich dann? Was macht es mit meinem Vertrauen und meiner Neugierde? Einfach mal ins samtig weiche Moos legen, gehalten fühlen, ruhen. Oder mitten im Wald ein paar Kleidungsstücke ausziehen und die nackte Haut von der Sonne liebkosen lassen. Tanzen auf einer Lichtung zum rascheln der Bäume. Oder singend durch Wiesen streifen. Ecosexuality bedeutet für mich auch, sich wieder mit der Natur zu verbinden und somit auch mit dem eigenen Körper. Durch ein Zusammen von Genuss, Neugierde, Entdeckung und Staunen.


Eins haben mein Körper und die Natur gemeinsam. Sie sind beide mein safespace. Nach diesem Entdeckungsjahr noch mehr oder gar zum ersten Mal bewusst gefühlt. Wir sind Natur. Körper und Natur sind eins. Durch die Entfremdung zur äußeren Natur verlieren wir oft den Zugang zu unserer inneren Natur. Die Rückführung zur Natur, das eintauchen in diese, sowie auch das eintauchen in unsere Körper, das ist es, was einen safespace, eine Art zu Hause für mich kreiert. Und vielleicht ja auch für Dich.


Von der Natur berühren lassen. Der Natur da draußen. Und der Natur in Dir drin.

Nature


bottom of page